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Von 1963 bis 2022 wurden in Deutschland insgesamt 14.460 Herzen transplantiert. Von den aktuell 700 Menschen auf der Warteliste konnten aber nicht mehr als 350 Herzen jaehrlich transplantiert werden. Davon werden mit Abstand die meisten Transplantationen in Oeynhausen durchgefuehrt.
Der Bedarf an Herzen uebersteigt deutlich das Angebot. Nur 40 % der Deutschen besitzen einen Organspendeausweis und sind somit Organspender. Hingegen lassen sich deutlich mehr Patienten bei medizinischer Indikation ein Herz implantieren. Dies ist erstaunlich, weil die gleichen Menschen, die dem Transplantationssystem nicht trauen und deshalb keinen Organspendeausweis tragen, keine Bedenken bei der Annahme eines Organs haben. Durch die mangelnde Spendenbereitschaft und die daraus resultierende Organknappheit sterben Menschen, die auf der Warteliste stehen, weil ein Herz nicht rechtzeitig zur Verfuegung steht.
Deutschland ist eines der Laender, bei denen eine Zustimmung zur Organspende erfolgen muss. Wenn Sie aber z.B. in Oesterreich oder Spanien sterben, gilt auch fuer Deutsche die Widerspruchsregel, d.h. Sie werden zum Organspender auch ohne Organspendeausweis. Da nur wenige Menschen widersprechen, stehen in den Laendern mit Widerspruchsregel ausreichend Herzen zur Verfügung. Daher wird gelegentlich diskutiert das System in Deutschland umzustellen, aber die Selbstbestimmung wiegt hoeher als das Ueberleben von Herzpatienten. Der Solidaritaetsgedanke steht als Kriterium nicht im Vordergrund, so dass auch Patienten ohne Organspendeausweis ein Organ erhalten.
In der Gesellschaft ist die Herztransplantation grundsaetzlich positiv besetzt wird als etablierte Therapie und Meisterleistung der Medizin angesehen. Ab und zu geistern regelmaessig aber selten Missbrauchsfaelle durch die Presse, bei denen sich Aerzte angeblich berreichern sollen. Dies ist einer der Gruende fuer die mangelnde Spendenbereitschaft. Seit Jahrzehnten sind die Herzen knapp und die Politik in Deutschland ist nicht in der Lage daran etwas zu aendern.
Bedingungen
Die Entscheidung zur Transplantation ist nicht nur abhaengig von der Zustimmung des potentiellen Empfaengers. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Bedingungen, die beachtet werden muessen.
Neben der Verfügbarkeit, gibt es noch weitere Kriterien, ob ein Herz transplantiert werden kann. Dazu gehoert, dass bei Spender und Empfaenger das Alter, das Gewicht und die Koerpergroesse aehnlich sein muessen. Auch wird bei der Zuteilung die Wartezeit auf der Warteliste berücksichtigt.
Das zu transplantierende Herz muss ebenfalls einige Bedingungen erfuellen: es musss funktionieren, gesund sein, die Blutgruppe muss identisch sein und das Gewebe weitgehend uebereinstimmen (Übereinstimmung der HLA-Merkmale zwischen Patient und Spender). Gerade letzteres ist entscheidend für die Lebenserwartung, weil Abstossungen seltener sind und weniger Immunsuppressivum eingenommen werden muss.
Zudem gibt es weitere international harmonisierte Kriterien fuer die Aufnahme auf die Transplantationsliste. Die Einhaltung wird von einem Gremium ueberwacht. Hierzu gehoert, dass die Herzkrankheit bereits weit fortgeschritten ist und alle anderen therapeutischen Massnahmen ausgeschoepft sind (ultima ratio). Ausserdem darf der Organempfaenger keine schweren Erkrankungen, z.B. Krebs, haben und nicht drogen- oder alkoholabhaengig sein. Er sollte nicht aelter als 65 Jahre sein, weil er mit zunehmenden Alter die Transplantation schlechter verkraftet und sich die moegliche Lebenserwartung altersbedingt verkürzt. Als weitere Voraussetzung sollte der Transplantierte eigenverantwortlich die medizinischen Vorgaben befolgen (Compliance). Das bedeutet, dass regelmaessig und bis zum Lebensende die Immunsuppressiva eingenommen werden, Arzt- und Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden und die Regeln der keimarmen Kost und der Hygiene eingehalten werden. Die Eignung wird vor der Transplantation in der Regel durch einen psychologischen Dienst begutachtet.
Aufgrund der hohen Nachfrage an Herzen fuehrt die Aufnahme auf die normale Warteliste nur in seltenen Faellen zu einer Transplantation. In der Regel muss sich der Gesundheitszustand des Patienten weiter verschlechtern, so dass der Status auf High Urgent gesetzt wird. Dann sollten nach einigen Wochen Herzen angeboten werden, die die Transplantationsaerzte begutachten und gegebenenfalls akzeptieren.
Sollte der Gesundheitszustand kein Warten mehr erlauben, kann gegebenenfalls ein Herzunterstuetzungssystem, ein LVAD, eingesetzt werden. Haeufig verbessert sich dadurch der Gesundheitszustand des Patienten, so dass der Status High Urgent aberkannt wird. Dadurch rueckt die Transplantation wieder in weite Ferne. Es ist daher genau abzuwaegen, ab die Implantation eines Herzunterstuetzungssystems sinnvoll ist.
Komplikationen
Die Entscheidung zur Transplantation scheint einfach, weil der Gedanke des Ueberlebens im Vordergrund steht. Doch das Leben als Transplantierter ist vielschichtiger und komplexer als meist angenommen wird.
Die groessten Huerden sind im ersten Jahr zu nehmen. Neben dem typischen OP-Risiko einer schweren Herzoperation mit Herz-Lungen-Maschine gibt es diverse Komplikationen. Zunaechst stehen Abstossungen im Vordergrund. So kann schon Minuten oder Stunden nach Austausch des Herzens eine hyperakute Abstoßung auftreten. Ein Transplantatversagen und Tod ist die Folge. Das zweite grosse Risiko sind Infektionen, die aufgrund der Immunsuppressiva viel ausgepraegter sind und schwerer verlaufen. Daher sind Menschenansammlungen, wie Parties, mit Vorsicht und in Innenraeumen waehrend der kalten Jahreszeit nur mit Atemmaske zu geniessen. 14 % der Transplantierten ueberleben das erste Jahr nicht.
Einige Jahre nach der Transplantation kommt als weiteres Risiko die Graft-Sklerose hinzu. Das durch Abstossung geschaedigte Herzgewebe kann durch Reparaturprozesse analog zur koronaren Herzkrankheit in allen Blutgefaessen Engstellen bilden, so dass es zum Herzinfarkt kommt. Die naechsten 5 Jahre sterben 25 % der Transplantierten.
Schliesslich loest der Krebs aufgrund des erhoehten Krebsrisikos die Graft Sklerose als Haupttodesursache ab, weil die Immunsuppressiva das eigene Immunsystem unterdruecken, welches auch die Bildung von Krebszellen bekaempft. Nach 12,5 Jahren sind bereits die Haelfte der Transplantierten verstorben, nach 20 Jahren sind es 70 % und 10 Jahre spaeter gibt es nur noch vereinzelt Transplantierte. Manche erhalten sogar ein zweites Spenderherz.
Die Lebenserwartung kann durch verschiedene Massnahmen verlängert werden. Hierzu gehoeren Frueherkennungsuntersuchungen, Lebensstil und die regelmaessige Einnahme der Medikamente.
Frueherkennung
Zur Frueherkennung sollte bei begruendetem Verdacht auf Abstossung oder spaetestens nach einem Jahr eine Biopsie durchgefuehrt werden, um diese zu bestaetigen und zu behandeln. Ich empfehle im ersten Jahr zusaetzliche nichtinvasive Kontrollen alle 3Monate per Liquid Biopsy. Dieses Verfahren wird leider nur selten angewandt. Nach einigen Jahren sollte ein Linksherzkatheder gemacht werden, um das Voranschreiten der Graftsklerose zu untersuchen. Haeufig sind im Verlauf Stents erforderlch. Ebenso sollten mindestens jaehrlich Krebsvorsorgeuntersuchungen durchgefuehrt werden. Insbesondere ein jaehrliches Hautscreening und eine Magen-/Darmspiegelung alle 1-3 Jahre je nach Vorbefund waeren empfehlenswert. Jedes Jahr sollte ein kardiologischer Check durchgefuehrt werden. Aufgrund der zahlreichen Untersuchungen ist eine enge Anbindung an das Transplantationszentrum sinnvoll.
Abgesehen von den Regeluntersuchungen sollte bei Beschwerden im Zweifelsfall eher etwas eher ein Arzt aufgesucht werden. Insbesondere Infektionen sollten aggressiver als bei normalen Patienten behandelt werden. Die Wirkung der Immunsuppressiva und damit das beschleunigte Wachstum von Bakterien, Viren und Pilzen sollte nicht unterschaetzt werden.
Lebensstil
Die Einnahme von Immunsuppressiva schliesst eine Aenderung der Lebensgewohnheiten mit ein. Hierzu gehoert eine Ernaehrung nach den Prinzipen der keimarmen Ernaehnung. Dies bedeutet, dass bestimmte Lebensmittel roh nicht gegessen werden duerfen. Dazu gehoehren roher Schinken, Salamie, Schimmelkaese, rohe Eier, Mayonaise, etc.. Ebenso sind Hygieneregeln zu beachten, welche auch den Schutz vor Infektionskrankheiten einschliessen. Hierzu gehoert, an Orten mit vielen Menschen wie Altenheimen und Krankenhaeusern Vorsicht walten zu lassen und die Haende regelmaessig zu desinfizieren. Schimmelpilze an Waenden von Innenraeumen oder in Muelltonnen koennen ebenfalls zu lebensbedrohlichen Infektionen fuehren. Ausserdem sollten schaedliche Substanzen vermieden werden. Dazu gehoert zum einen, dass auf Genussmittel wie Alkohol und Nikotin verzichtet werden sollte, um Lunge und Leber zu schonen und zum anderen giftige Substanzen, wie Loesungsmittel, zu vermeiden.
Bewegung und Gewicht
Viele Stoffwechselprozesse werden durch Bewegung verbessert. Hierdurch wird das Wohlbefinden gesteigert und Medikamente (Bluthochdruck, Wasser) koennen teilweise reduziert werden. Bewegung hilft zudem das Gewicht zu halten, was bei der Einnahme von Kortison ein Erfolg ist. Ebenso fuehrt eine Gewichtsreduktion zu einer hoeheren Beweglichkeit und somit zu einer Steigerung der Lebensqualiitaet. Schliesslich werden auch Stresshormone abgebaut, welche einen positiven Einfluss auf Diabetes, Graftsklerose, Bluthochdruck und viele weitere Zivilisationserkrankungen haben, alles Erkrankungen, die bei Transplantierten besonders haeufig sind.
Psyche
Aufgrund zahlreicher medizinischer Komplikationen, zwischenmenschlicher Belastungen mit Angehoerigen, Freunden und Aerzten, mangelnde Kondition und finanzieller Sorgen kann die Psyche ueberfordert sein. Eine regelmaessige Anbindung an einen Psychotherapeuten ist daher empfehlenswert. Aber auch Meditation und Achtsamkeit kann sehr hilfreich sein. Zur Erlernung empfehle ich einen Kurs mit der Bezeichnung MBSR, der in fast jeder groesseren Stadt aber auch in Kloestern oder Urlaubsorten angeboten wird. Dieser ist deutlich hilfreicher, als die Uebungen, die in Reha-Kliniken angeboten werden.
Unterwegs
Grundsaetzlich sollten immer ausreichend Medikamene (mindestens eine Tagesdosis), insbesondere Immunsuppresiva, mitgenommen werden, um im Notfall geruestet zu sein. Ebenso sollte man immer einen Medikamenentenplan, eine Uebersicht der Diagnosen, die letzten Befundberichte, die Kontakte der wichtigsten Aerzte und Angehoerigen, die Versicherungsnummer und eine Patientenverfuegung dabei haben. Hinzu kommt noch ggfs. der Schrittmacherausweis, der Transplantationsausweis und der Behindertenausweis. Die Vorlage dieser Unterlage hilft den Aerzten im Notfall schneller und besser helfen zu koennen.