HTx

Heute ist Dein zweiter Geburtstag.

Die Tür wird aufgerissen. „Es geht los!“ Ich stehe im Bad und komme gerade aus der Dusche.

Heute bekomme ich ein Spenderherz! Endlich und doch ploetzlich. Ich hoffe, es geht alles gut und ich bekomme eine Chance noch eine Zeit ohne Herzrhythmusstoerungen und Leistungseinschraenkungen zu leben.

Momentan sind die Kardiochirurgen aus Oeynhausen unterwegs zum Spender, um sich das Herz anzusehen. Die Bedingungen wie gleiche Blutgruppe, aehnliche Koerpergroesse und aehnliches Gewicht des Spenders sind bereits durch Eurotransplant abgeklaert. Desweiteren wurde bereits der Hirntod des Spenders festgestellt, der Organspendeausweis geprueft oder das Einverstaendnis der Angehoerigen zur Spende eingeholt.

Diese sind haeufig ueberfordert. Sie sind hin- und hergerissen, ob der geliebte Mensch „ausgeschlachtet“ werden soll und fragen sich, was dieser gewollt haette. Denn 60 % der Menschen haben keinen Organspendeausweis, bei vielen ist er unauffindbar. Helfen Sie also Ihren Angehoerigen, durch eine klare Willenserklaerung zur Organspende.

Nun geht es um eine letzte Gesundheitspruefung des Herzens. Uebrigens – das Herz ist nicht neu, vielmehr gebraucht. Es hat viele Jahre im Spender geschlagen und hat wie alle Herzen aufgrund der Genetik und der Lebensfuehrung des Spenders Schaeden bzw. Erkrankungen, die sich im Lauf der Zeit ausbilden werden.

Wenn das Entnahmeteam gruenes Licht gibt und das Herz entnimmt, werden hoffentlich die Vorbereitungen auf meinem Zimmer (Rasur, Waschen, Legen von zwei Zugaengen, Einnahme von Immunsupressiva, Roentgenaufnahme) abgeschlossen sein und ich in den OP gebracht, wo man mich weiter vorbereitet (zentral venoeser Katheder, arterielle Blutdruckmessung, Herz-Lungenmaschine, Abschalten des Herzunterstuetzungssystems, etc.) und den Brustkorb oeffnet. Wenn das Herz da kann ist, kann es ohne Zeitverlust ausgetauscht werden. Die gesamte Operation wird bei mir, wenn alles normal laeuft, ca. 6 h dauern (tatsaechlich waren es dann 11,5 h), ca. 3 h fuer die Transplantation und etwas weniger fuer die Entfernung des Herzunterstuetzungssystems (LVAD). Nach der Operation werden die naechsten Angehoerigen ueber den Verlauf der OP von einem Mitglied des OP-Teams informiert.

Die Operation ist zwar wie der Austausch eines Motors bei einem Bulli, wie mir ein Chirurg versicherte, aber trotzdem gibt es genuegend Komplikationen. Einige Tage vor und nach meiner Transplantation sind zwei Mitpatienten von mir gestorben, einer an einer Superabstossung, einer an einem Thrombus, als sein LVAD entfernt wurde.

Nun bin ich es los, das Herz, welches mich mein ganzes Leben begleitet hat und tapfer gekaempft hat, so gut es konnte. Es ist unwiederbringlich weg. Das macht ein trauriges, mulmiges und hoffnungsvolles Gefuehl. Nun muss ich mich auf ein anderes Herz verlassern und es erst einmal kennenlernen. Das Vertrauen muss in den naechsten Jahren wachsen.

Zum Glück hatte ich keine psychischen Probleme. Viele Empfanger haben das Gefuehl, dass sie Schuld an dem Tod des Spenders haben, dass sie kaltbluetig gewartet haben, bis der Spender endlich tod war, damit sie weiterleben konnten. Zahlreiche ethischen Fragen stellen sich nun. Bin ich ein Moerder, wenn ich ein Herz von jemand anderen bekomme, der vorher gelebt hat. Was war der Spender fuer ein Mensch und fuehrt die Transplantation zu einer Persoenlichkeitsveraenderung. Bin ich mit dem neuen Herzen noch der Alte? Werde ich noch meine Frau und Familie lieben koennen. Was ist mit meiner Seele und meinen Gefuehlen?

Wie schon geschrieben ueberleben 14 % die Operation und das erste Jahr nicht. Kurz vor und nachdem ich transplantiert wurde sind 2 HTx Patienten verstorben, einer an einer hyperreaktiven Abstossung und ein zweiter mit einem Herzunterstuetzungssystem an einer Embolie.

Nach einer laengeren Aufwachphase werde ich von Krankenschwestern betreut, die von oben bis unten vermummt sind. Man kann sie lediglich an der Brille unterscheiden. Sukzessive werden Schlaeuche und Medikamente entfernt, aber leider scheint die Kompatibilitaet des Transplantats mit meinen Zellen nicht sehr hoch zu sein, so dass ich gegen Abstossung behandelt werden muss. Der beim Spender noch intakte Sinusknoten ist nach wenigen Wochen nicht mehr aktiv und ein Schrittmacher muss implantiert werden. Damit gehoere ich zu 8 % der Transplantierten, die einen Schrittmacher erhalten. Sollte dies bei Ihnen notwendig werden, empfehle ich einen Schrittmacher der Firma Boston mit einem Atemminutenvolumensensor, der den Puls besser an den Bedarf anpasst, als die Schrittmacher von Biotronic oder Medtronic.

Nach ca. 6 Wochen ist der stationaere Aufenthalt vorbei und der Transplantierte wird in die Welt mit einer ganzen Menge an Empfehlungen und Ratschlaegen entlassen. Da man zunaechst in kurzen, spaeter in laengeren Abstaenden zur Nachsorge einbestellt wird, gewoehnt man sich daran. Insgesamt bekommt man mindestens 12 Monate, um sich an das neue Herz zu gewoehnen, die Umstellung der Ernaehrung und die Hygiene zu lernen. Diese Zeit wird Rekonvaleszenzzeit genannt. Danach soll der Patient wieder die Arbeit aufnehmen, was bei mir aufgrund von Abstossungsreaktionen und deren Behandlungen nicht funktionierte. Stattdessen verbrachte ich das zweite Jahr mit Behandlungen der Abstossungen und einer Reha.